Um ihre Umsätze und Gewinne zu retten, müssen sich die deutschen Autohersteller bei Vertrieb, Handel und Service auf Vernetzung sowie neue Antriebs- und Mobilitätskonzepte einstellen. Zu diesem Ergebnis kommt die Unternehmensberatung Deloitte mit ihrer Analyse „Future of Sales and Aftersales“, die untersucht, wie sich die Trends Konnektivität, alternative Antriebe, Carsharing und autonomes Fahren sowie generelle Entwicklungen wie der demografische Wandel oder die Urbanisierung bis 2035 auf das Geschäftsmodell auswirken.
Im Ersatzteil-, Service- und Reparaturgeschäft droht laut Deloitte in 15 Jahren ein Umsatzrückgang von 55 Prozent. Der Gewinn des margenträchtigen Geschäfts halbiere sich entsprechend. Der Grund: Alternative Antriebe, allen voran der Elektroantrieb, dessen Einsatz die Studienautoren in einem Basisszenario auf 40 Prozent der Neufahrzeugverkäufe schätzen. Elektrofahrzeuge benötigen weniger Wartung und Reparaturen, die Umsätze in diesem Bereich sinken den Beratern zufolge für einen durchschnittlichen Fahrzeughersteller im deutschen Markt von derzeit 300 auf 48 Millionen Euro im Jahr – ein Rückgang um 84 Prozent. Gleichzeitig sinke der Gewinn aus diesem Geschäft von 101 auf 16 Millionen Euro.
Auch das profitable Ersatzteilgeschäft geht der Studie nach zurück: Von 205 auf 84 Millionen Euro, denn Elektroautos haben weniger Verschleißteile als herkömmliche Fahrzeuge. Lediglich das Reifengeschäft profitiere von den steigenden Fahrleistungen. „Die Automobilhersteller müssen sich jetzt darauf einstellen und ihren Vertrieb sowie das Werkstattgeschäft auf die neue Mobilität ausrichten. Sonst geht ihnen ein erheblicher Teil des Geschäfts verloren“, sagt Thomas Schiller, Autoexperte bei Deloitte.
Tiefgreifende Veränderungen im Handel
Auch für den Autohandel sagen die Berater tiefgreifende Veränderungen voraus: Wenn sich unabhängige Mobilitätsdienstleister erfolgreich zwischen die Automobilhersteller und ihre Kunden drängen, sinken die Gewinne aus dem Verkauf von Fahrzeugen bis 2035 um 53 Prozent. „Denn die neuen Intermediäre werden mit ihrem direkten Kundenzugang erhebliche Marktmacht innehaben“, heißt es.
Besetzen Online-Vermittler das Privat- und Firmenkundengeschäft, gerät auch dieser Bereich unter Druck, so Deloitte weiter. Die Autobauer seien daher gut beraten, eigene Online-Verkaufskanäle zu etablieren und das Direktgeschäft unter Umgehung des traditionellen Autohandels auszubauen. Dadurch könnten sie ihre Vertriebskosten senken, den Wettbewerb zwischen den eigenen Händlern vermeiden und so die Gewinnmarge im Vertrieb steigern. „Trotz des Umsatzrückgangs von 16 Prozent bleibt der Fahrzeugverkauf ein attraktives Geschäft, wenn die Autohersteller ihr Vertriebsnetz radikal umbauen“, sagt Schiller. Deloitte empfiehlt, Neuwagen in attraktiven Innenstadtlagen zu präsentieren und am Stadtrand Testfahrt- und Service-Zentren aufzubauen.
Neuwagenabsatz sinkt kontinuierlich
Die Zahl der verkauften Neuwagen sinkt im kommenden Jahrzehnt kontinuierlich, prognostiziert Deloitte. „Dafür sind gleich mehrere Gründe verantwortlich“, erklärt Schiller. „Dazu gehören beispielsweise neben einer alternden Gesellschaft eben auch Mobilitätsangebote wie Carsharing. In urbanen Großräumen wird es attraktive Alternativen zum eigenen Auto wie autonome Shuttle-Dienste und Roboter-Taxis geben.“
Ein Wachstumsbereich sind laut der Analyse Finanzdienstleistungen: 2035 werden demnach mehr als die Hälfte aller Neuwagen an Firmen und Flotten verkauft, derzeit sind es 37 Prozent. Damit wachse das Leasing- und Kreditgeschäft um 31 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro, so Deloitte. Weitere Chancen ergäben sich für die Autohersteller, wenn es ihnen gelingt, Mobilität als Service zu verkaufen. Schiller: „Aus Autoherstellern müssen Mobilitätsdienstleister werden, die ihren Kunden ein Fahrzeug oder einen Shuttle-Service genau dann anbieten, wenn diese mobil sein wollen.“
Die neue Studie zeige, dass die Automobilhersteller in den nächsten 15 Jahren durch herausfordernde Zeiten gehen, unterstreicht Schiller. „Ohne tiefgreifenden Wandel werden sie es kaum schaffen, 2035 noch profitabel zu sein.“ Deloitte kommt zu dem Schluss: Selbst wenn die Unternehmen die richtigen Themen jetzt adressieren, wird es nicht einfach, den Rückgang des traditionellen Autogeschäfts durch neue Geschäftsmodelle zu kompensieren.
nilsbär meint
Die Autohersteller und ihre Berater machen sich was vor. Der Rückgang an Absatz, Gewinn und Aftersales-geschäft kann niemals durch Mobilitätsdienstleistungen ausgeglichen werden. Wahrscheinlich wird der Konkurrenzkampf hier mörderisch werden. Plakativ gesagt: Ein Pendler, der auf ein eigenes Auto verzichtet und Robotaxi fährt, wird eher € 100 im Monat für ein VW-Kleinqwagentaxi ohne Ausstattung ausgeben als € 200 für ein Mercedes-Taxi. Und falls chinesische/indische Billigstautos nur € 50 kosten, wird bereits am nächsten Tag damit gefahren. Das Wort ,Gewinn‘ können die Sekretärinnen der Autovorstände demnächst aus ihren Textverarbeitungsprogrammen löschen…
Andreas meint
Weniger Reparaturen bedeutet auch weniger Abfall und weniger Produktion von Ersatzteilen -> Weniger Material- und Energieeinsatz -> weniger CO2-Emission.
Ecoment meint
Weniger jobs und mehr AfD Wähler . Ich bin für mehr Elektroautos aber dann richtig.
Peter W meint
Diesen Bericht sollten auch Menschen lesen, die am Verbrenner festhalten oder unbedingt ein Wasserstoffauto wollen. Wer langfristig günstiger fahren will kauft ein BEV.
Vali44 meint
Ja, mein Mazda Händler schaute mich mit offenem Mund an, als ich ihm erzählte, dass ich nun einen Ioniq gekauft habe, und keinen ach so tollen Mazda, da Mazda ja nichts im BEV Bereich bieten kann.
“Aber, nur mit Elektro geht das doch nicht“, war seine Antwort.
Servicekosten unseres kleinen Mazda 2 waren dann 5 Mal höher als die bei der Ioniq Garage. Schon nur der Ölwechsel war teurer…
Ja, so wird das wohl schwierig werden für Autohersteller und Garagisten, welche seit Jahren keine aktuellen Technologien anbieten und sich im Hochglanz Prospekt mit “Effizienz, Fahrspass, Innovation“ brüsten ohne zu wissen, was das überhaupt bedeutet.
Daniel S meint
Das schöne ist doch, dass es immer mehr Alternativen gibt. Wenn Mazda nichts in Sachen BEV anbieten will, dann kaufen wir halt bei jemand anderem.
Ash Ketchum meint
Mazda baut gute Autos mit Verbrennungsmotoren. Aber da sie elektrisch nichts zu bieten haben, dürften sie bald heftige Probleme bekommen. Für viele andere Japanische Hersteller gilt das gleiche.