Viele Politiker und Arbeitnehmervertreter wollen unbedingt eine groß angelegte deutsche Batteriezellfertigung für Elektroautos. Noch ziert sich die Industrie aber und verhandelt mit Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier über das genaue Vorgehen und staatliche Unterstützung. Der Karlsteiner BMZ Group geht das offenbar zu langsam.
Eigentlich wollte BMZ gemeinsam mit anderen Unternehmen im Rahmen des Konsortiums TerraE in Deutschland eine Zellfertigung aufbauen. Das 2017 gestartete Vorhaben scheiterte jedoch und wurde anschließend von BMZ komplett übernommen. Die angestrebte Großserienproduktion von Batteriezellen will das Unternehmen nun selbst etablieren.
„Wir haben das Know-how und die nötige Erfahrung, um eine Zellenfertigung in Deutschland aufzubauen“, erklärte BMZ-Chef Sven Bauer im Gespräch mit der Automobilwoche. Das Unternehmen stellt vorrangig Energiespeicher für Gabelstapler oder Bohrmaschinen her, liefert aber auch das Batteriesystem für die Elektro-Transporter der Deutsche-Post-Tochter StreetScooter.
BMZ hat vor, ab 2020 zunächst Zellen für Lithium-Ionen-Batterien mit einer Gesamtkapazität von vier GWh pro Jahr zu fertigen. In einem weiteren Schritt sind acht GWh geplant, was für die Ausrüstung von um die 150.000 Elektroautos reichen soll. „Es wurden bereits konkrete Gespräche mit Automobilfirmen geführt, die Nachfrage nach den von TerraE entwickelten Hochleistungszellen ist schon im Voraus sehr hoch“, sagte ein Unternehmenssprecher. Wo die Produktion stattfinden wird, ist noch offen.
Die von Firmenchef Sven Bauer vorangetriebene Zellfertigung will BMZ nicht zwangsläufig im Alleingang finanzieren und realisieren. „Eine Subvention seitens des Bundes würde unsere Pläne selbstverständlich stützen“, so der Sprecher. Ob es diesbezüglich bereits Gespräche gibt, ist nicht bekannt. Das Wirtschaftsministerium hat für die Produktion deutscher Batteriezellen eine Milliarde Euro in Aussicht gestellt.
Industriekonsortium FFB
Neben staatlicher Unterstützung strebt BMZ auch weiter die Zusammenarbeit mit anderen Firmen sowie Forschungseinrichtungen an. Diese Woche wurde mitgeteilt, dass sich BMZ und TerraE mit weiteren Vertretern der Branche an einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Initiative zum Aufbau einer „Forschungsfertigung Batteriezelle“ (FFB) beteiligen.
Bei FFB handelt es sich um eine Pilotfertigung, die alle Prozesse einer industriellen Zellfertigung bündeln soll. Ziel ist eine großseriennahe Produktionslinie, die als Industrialisierungsplattform dient und bestehende Risiken minimiert. „Investoren und Kunden sollen gewonnen werden, um den zügigen Aufbau einer Deutschen Zellproduktion zu erleichtern“, heißt es.
Zu den an FFB beteiligten Firmen gehören neben der BMZ Group und TerraE die europäischen Hersteller von Lithium-Ionen-Zellen und Batterie-Systemen Custom Cells Itzehoe, EAS Batteries, Leclanché und Liacon. Die Initiative besteht aus einem Industrie- und einem Forschungsteil, den Aufbau und die Planung übernimmt die Fraunhofer-Gesellschaft.
Frank Oskar meint
Daimler erachtete 2015 die Zellen als beliebiges Zukaufteil und stellt die Zellproduktion in Kamenz ein.
Selnim meint
Entweder müssten die Zellen von BMZ so gut sein, dass sie ohne Subventionen Überleben können. Ansonsten wird diese Zellproduktion auf dauer nicht tragfähig sein. Ein Gewinnsteuerabzug in gleicher Höhe wäre einer Subvention auf jeden Fall vorzuziehen.
nilsbär meint
Bisher ist BMZ nicht als Batteriezellhersteller aufgefallen, sondern als Zukäufer:
Pressemitteilung vom Mai 2018:
„Des Weiteren wurde im Mai bekannt, dass die BMZ GmbH mit der LG Chem Ltd., einem der größten Zellenhersteller der Welt mit Sitz in Korea, einen langfristigen Vertrag über die Lieferung von mehreren hundert Millionen Lithium-Ionen Zellen bis Ende 2022 geschlossen hat. Damit stellt die BMZ eine langfristige Versorgungssicherheit für ihre Produkte auf Basis einer Lithium-Ionen Technologie für die eigenen Kunden sicher, so Sven Bauer, CEO & Founder der BMZ Group.“
Über vorhandenes Know-How, beabsichtigte Zellchemie, Rohstoffversorgung, Produktionsstandort gibt es im heutigen Artikel keine Informationen. Wohl aber darüber, dass man Investoren und Förderungen möchte.
Ich sehe da leider keine Basis für eine erfolgreiche Zellfertigung. Und Minister Altmaier soll aufpassen, wem er in seiner Panik die Milliarde an Förderungen reinschiebt.
Korben meint
Hoffentlich gibt Altmeier die Milliarde endlich mal denen, die es machen wollen und die man nicht für so ein Unternehmen überreden muss. Wenn sich jemand disqualifiziert hat, dann ist es die Autoindustrie, die bis jetzt schon einige Milliarden Fördergelder bekommen hat und außer ein paar zaghaften Anfängen noch nichts auf die Beine gestellt hat.
BMZ hat durch die enge Kooperation mit den 4 großen Anbietern Einblick in die Zellfertigung. Wenn sie schlauer sind als die Autohersteller holen sie sich die Expertise von einem der Anbieter mit ins Boot. An der Stelle war Musk bisher der Einzige der verstanden hat wie’s geht.
nilsbär meint
Auch die Koreaner, Chinesen und jetzt die Japaner haben verstanden, wie es geht: Enge nationale Kooperationen von E-Auto- und Zellherstellern. Leider ist für die deutschen Hersteller kein Zellpartner in Sicht.
Peter W. meint
Es tut sich also doch noch was. Wenn damit die Automobilbauer raus sind, und dort dann die Zellen kaufen ist das gut so. Je weniger Kompetenz bei den großmäuligen Autobauern bleibt, desto weniger Einfluss haben sie auf Gesellschaft und Politik. Es ist ja heute schon so, dass die eigentlichen Autobauer die Zulieferer sind. Mit dem Wegfall der Verbrennungsmotoren werden die Fzg-Hersteller nur noch Karosseriebauer und Zusammenschrauber sein. Die wichtige Arbeit machen dann die, die es können.