Für seinen Machterhalt unterminierte Johnson auch die Demokratie. Es bedurfte erst einer Gina Miller, die vor Gericht durchsetzte, dass das Parlament beim Brexit ein Wort mitzureden hatte – sonst hätten die Brexit-Tories die größte Transformation des Landes seit 40 Jahren auch ohne Mitsprache des Parlaments durchgezogen.

Die Brexit-Hardliner ließen Theresa May zunächst den Vortritt, um an ihr zu demonstrieren, dass ein Kompromiss mit der EU mit ihnen nicht zu machen war. May versuchte – ganz ehrlich und pflichtbewusst – das wirtschaftlich Beste für das Vereinigte Königreich und Nordirland herauszuholen. Aber Johnson und die Hardliner interessierte keine Ehrlichkeit und kein Pflichtbewusstsein. In Amerika machte ihnen Präsident Donald Trump lange vor, wie man mit Populismus und Attacken auf die Demokratie Macht ausspielen konnte.

Johnson zog nach: Nachdem er May gestürzt hatte, säuberte er die Fraktion von Widerständlern, darunter große Köpfe der britischen liberalen Demokratie wie Kenneth Clarke, Nicholas Soames und Dominic Grieve. Sogar Königin Elisabeth II. wurde instrumentalisiert, um eine verfassungswidrige Aussetzung des Parlaments zu verkünden – nur um die Möglichkeit zu haben, gegen den Willen des Parlamentes einen No Deal durchzupauken. Wieder bedurfte es einer Gina Miller, die vor Gericht ging. Wieder wurden die Richter diffamiert.

Die Rücksichtslosigkeit hat sich gelohnt

Es war ein unverblümter Angriff auf die Demokratie, nicht ganz so lautstark wie der auf das Capitol Hill in den USA. Die britische Verfassung ist eine Sammlung von Gesetzen, Traditionen und Gepflogenheiten, die nicht darauf ausgelegt ist, von einer Regierung missbraucht zu werden. Johnson aber hat dies getan. Er war auch der erste Premierminister, der sich dem Parlament und parlamentarischen Ausschüssen nicht zur Rechenschaft stellte, der die BBC boykottierte, der seinen Chef-Berater Dominic Cummings tief in die Ministerien hineinregieren ließ und die unparteiische Ministerialbürokratie politisierte.

Und heute, fünf Jahre später? Jetzt steht das Land mit den gebrochenen Versprechen da: die Fischer, die die britischen Fanggründe auch weiterhin mit der EU teilen müssen. Die Unternehmer, die selbstverständlich auf Warenkontrollen im Handel zwischen Nordirland und Großbritannien gefasst sein müssen. Die Künstler und Bands, die eben nicht einfach mal so für eine Tournee nach Paris fahren können; die Studentinnen, die sich nicht mehr auf die Unterstützung des Erasmus-Programms verlassen können. Es lohnt nicht, sie alle aufzuführen, denn jede dieser Gruppe macht bei Wahlen nicht den entscheidenden Unterschied aus.

Es ist erstaunlich, wie die Vorwürfe der Lügen an Johnson abperlen, obwohl immer mehr Medien diese offensiv ansprechen. Die Zeiten sind vorbei, in denen es noch hieß, Johnson habe sich "undeutlich ausgedrückt". Auf dem jüngsten G7-Treffen wurde Johnson vor laufender Kamera von der Journalistin Beth Rigby auf Sky News gefragt: "Haben Sie gelogen, als Sie gesagt haben, es werde keine Grenze in der Irischen See geben, oder haben Sie den Vertrag nicht verstanden, den Sie selbst unterschrieben haben?" Am gleichen Tag fragte ihn der Journalist Gary Gibbon von Channel 4, ob er nicht begriffen habe, dass die EU ihm nicht mehr über den Weg traue, weil er sich nicht an Verträge halte.